Nur Präsenz
Gottesdienst
am 15 August, um 10.30 Uhr
mit Pfarrer Jürgen Hoffmann
“Gott wiedesteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.” 1. Petrusbrief 5,5
Der Wochenspruch für die kommende Woche erinnert an ein altes Sprichwort: Hochmut kommt vor dem Fall. Das passt irgendwie so gar nicht in unser Denken. Selbstdarstellung ist angesagt – in den sozialen Medien sowieso. Wer dazu gehören will, muss sich zeigen, darstellen, präsentieren. Sichtbar für alle und in Erwartung möglichst vieler Likes.
Wer bin ich – vor mir selbst, in den Augen anderer und wer bin ich vor Gott? Brauche ich die Bestätigung anderer, um mich selbst annehmen zu können? Gottes Zusage an jeden und jede von uns ist: „Ich kenne Dich und ich liebe Dich, so wie Du bist. Mit Deinen guten und mehr noch mit Deinen schwierigen Seiten. Was immer Du über Dich selbst denkst oder andere von Dir sagen: In meinen Augen bist Du mein geliebtes Kind. Ich habe Dich gemacht und gewollt und ich stehe zu Dir – immer. Auch dann, wenn Du selbst nicht an Dich glauben kannst.“
Eine gesegnete Woche wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Jürgen Hoffmann
Wir freuen uns wieder auf eine Taufe im Gottesdienst.
Den Gottesdienst wird an diesem Sonntag musikalisch unsere Kantorin Yoerang Kim-Bachmann begleiten.
Ob wir unter der Maske mit der Schola mitsingen dürfen, hängt von den leider steigenden Covid-19 Zahlen ab.
Bitte beachten Sie die aktuellen Covid-19 Regeln.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Ferienende – Es geht wieder los unser Gemeindeleben
Am Montag, 16. August, um 15.00 Uhr, mit dem Spiele-Café
und mit Volker Busch
Auch alle anderen Veranstaltungen finden wieder wie gewohnt statt.
Nähere Informationen bei unserem Seniorenreferenten Volker Busch unter Tel. 0211-43 41 67 oder Email volker.busch.@ekir.de
Auch die Tersteegen-Musikschule e.V. nimmt ab Mittwoch ihren Unterricht wieder auf.
Angebote der Quartiers-Gemeinschaft Golzheim/Stockum
Von der Jüdische Gemeinde und des Nelly-Sachs-Hauses am Dienstag, 17. August um 15.00 Uhr
„Miteinander und nicht allein“
Themenspaziergang Rose Ausländer im Nordpark
Rose Ausländer war eine deutschsprachige Lyrikerin des 20. Jahrhunderts.
Ihr Durchbruch gelang ihr erst in ihren letzten Lebensjahren, die sie im Nelly-Sachs-Haus verbrachte. Hier erlebte sie ihre produktivste Schaffensphase.
Dabei entstanden auch zahlreiche Gedichte über den Nordpark.
Helmut Braun, langjähriger Gesprächspartner, Verleger, Biograph Ausländers und Vorsitzender der Rose Ausländer Gesellschaft e.V., wird uns bei einem Vortrag im
Nordpark die Person, das Leben und besonders ihre Gedichte näher bringen.
Noch bist du da Noch
Wirf deine Angst duftet die Nelke
in die Luft singt die Drossel
Bald noch darfst du lieben
ist deine Zeit um Worte verschenken
bald noch bist du da
wächst der Himmel Sei was du bist
unter dem Gras Gib was du hast
fallen deine Träume
ins Nirgends
Zu dieser Veranstaltung laden wir Sie herzlich ein!
Wann: 17.08.2021 um 15:00 Uhr
Treffpunkt: Eingang des Nelly Sachs Hauses
Anmeldung: m.mertinat@maimonides.de, 0178-2756944
Kosten: kostenlos
Des NETZWERK GOLZHEIM Diakonie Düsseldorf in der Tersteegen-Gemeinde
Das Netzwerk Golzheim startet wieder mit seinem Programmen
Sprachkurs Englisch Konversation
Wir frischen unsere Englischkenntnisse auf.
Info: Ursula Shah, T: 0178-2840784
Termine: Ab 16.08 montags von 10 bis 11 Uhr, Raum „Maria“ (UG)
Kultur und Kaffee am Dienstag, 17. August, 10.00 Uhr
Wir tauschen uns miteinander aus, lachen, diskutieren, philosophieren und lassen uns von mitgebrachten Texten, Themen und allerlei Wissenswertem inspirieren.
„Der Flugpionier August Euler“, ein Vortrag von Eva Horst
Des Kevin Hunder-Conolly Projekts
„Integration durch Musik “
13. Benefiz-Sommer-Konzert am Samstag,
21. August, um 16.00 Uhr.
Diesmal in der Ev. Jonakirche in Düsseldorf-Lohausen,
Niederrheinstraße 126.
Seit über 6 Jahren finden bereits die Benefiz-Konzerte statt. Unter der Leitung von Kevin Hunder-Conolly musizieren engagierte junge und junggebliebene Musiker*innen für geflüchtete Kinder, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ein Instrument zu erlernen. Unter anderem auch in der Tersteegen-Musikschule e.V..
Auf dem Programm stehen Klassik, Pop, Oldies und Chansons.
Der Eintritt ist frei, es wird aber um eine Spende gebeten.
Anmeldung gerne unter: musikintegriert@gmail.com
Fürbittengebete am Israelsonntag
Barmherziger Gott, wir danken dir für neue Anfänge im Verhältnis von Christen und Juden, die unsere alten Vorurteile und Feindbilder überwinden. Es ist eine kostbare Erfahrung, dass Begegnungen mit jüdischen Menschen möglich sind nach all dem Schrecklichen, das ihnen durch unser Volk angetan worden ist.
Segne alle christlich-jüdischen Gespräche und lass uns entdecken, wie viel wir lernen können aus dem Schatz der jüdischen Tradition – auch für unseren Glauben.
Hilf, dass wir in ganzer Tiefe begreifen, was es heißt, dass dein Sohn in Israel zur Welt gekommen ist. Mach uns wachsam gegen jede Form von Antisemitismus und erfinderisch, wenn es darum geht, Verständnis zu fördern für jüdisches Leben.
Bewahre die jüdischen Gemeinden bei uns und überall auf der Welt vor Gewalt und Terror. Breite Frieden über Israel und seine Nachbarn und Gerechtigkeit über die ganze Erde. – Gott, dein Wort ist wie Licht in der Nacht. Es hat Hoffnung und Zukunft gebracht. Nicht aus uns selbst können wir leben.
Jesus, Licht der Welt, wir bitten Dich für die Kranken, für die Sterbenden, für die Trauernden, die Opfer der Umweltkastrophen und der Gewalt nah und fern, [und für die, die in unserer Gemeinde gestorben sind, heute für NN.] Herr, nehme sie alle in Gnaden an und mache du uns still und aufmerksam für Schmerz und Leid der Angehörigen und tröste die Trauernden durch dein Evangelium.
Barmherziger Gott, steh uns bei und sei uns ein starker Fels und eine Burg, damit wir Menschen nicht das zerstören, was du geschenkt hast: Leben unter deiner Sonne und dem Schatten deiner Flügel. So loben und preisen wir Gott in Jesus Namen mit den Worten, die uns der Herr gelehrt hat.
Predigt vom Prädikanten Horst Gieseler während des Gottesdienstes am 8. August 2021
Predigt: zu Römer 11, 25 – 32
Herr, wir sind versammelt, Dein Wort zu hören. Wir bitten Dich um der Liebe Christi willen: verleihe uns Deinen Heiligen Geist, dass wir Deine Wahrheit erkennen. Lass uns Dein Wort aufmerksam hören, es wohl verstehen und unser Leben danach führen. Durch Jesus Christus, unsern Herrn. Amen.
Liebe Gemeinde, ein Geheimnis Gottes sollen wir am Israelsonntag unseren christlichen Gemeinden mit den Worten des Apostel Paulus aus dem Römerbrief bezeugen. Es ist ein escha-tologisches Geheimnis: Ganz Israel wird gerettet werden, nachdem auch die Fülle der Völker hinzugekommen ist. Damit steht dieses Geheimnis in schroffem Gegensatz zu dem, was offensichtlich schon zu Römerzeiten in christlichen Kreisen gedacht und immer wieder – oft bis in unsere Gegenwart – am 10. Sonntag nach Trinitatis von christlichen Kanzeln zu hören war: Anstelle Israels sei nun die Kirche Gottes erwähltes Volk. Das Evangelium der alten Perikopen Lk 19, 41-48, Jesu trauernde Sicht auf die kommende Zerstörung Jerusalems, war den Auslegern und Predigern Indiz und Beweis genug für Israels Verwerfung, weil es Jesus nicht als seinen Messias angenommen hatte.
Solchen Ansichten tritt der Apostel entschieden entgegen. „Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor erwählt hat“ (Röm 11,2), weil ihn seine „Gaben und Berufungen“ nicht gereuen können (Röm 11,29). Klar und deutlich tritt damit das Evangelium von der Treue und Barmherzigkeit Gottes zutage, das allein – Juden und Christen – Garant ihrer Rettung sein kann. Nur wenn Gottes Treue zu Israel unverbrüchlich ist, können wir auch auf das trauen, was er uns durch Christus zugesagt hat.
Der heutige Predigttext, liebe Gemeinde, steht im Schlussabschnitt der Kapitel 9-11 des Rö-merbriefes. Darin ringt Paulus um eine Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis „der universalen Heilsverkündigung des Evangeliums“ zu der „Erwählungszusage Gottes an Israel“ (U. Wilckens).
Er legt dar, dass ein Teil Israels „verhärtet“ worden sei (V. 25), so lange, bis die „(Heiden)-Völker hineingekommen“ sind in das Heil Gottes. Auf diesem Hintergrund und zugleich aus einer Situation der eschatologischen Naherwartung lebt und glaubt Paulus.
[Der Begriff „Eschatologie“ kommt von griech. eschaton „das Letzte / Ende“ und bedeutet wörtlich „Lehre von den letzten Dingen / von der Endzeit“. Er hat sich im 19. Jh. in der systematischen Theologie als Bezeichnung für die Lehre von den letzten Dingen (Tod, Auferstehung, Jüngstes Gericht etc.) etabliert.]
Schalom Ben-Chorin kommentierte das Verhalten des Paulus mit folgenden Worten: „Jetzt verstehen wir die brennende Ungeduld, diese jüdische Hast, mit der Paulus durch die
Völkerwelt jagt, um das Evangelium zu verkündigen. Je mehr Heiden er bekehrt, desto näher rückt die Stunde der Rettung Israels“.
Es wird hier deutlich, liebe Gemeinde, dass dann ganz Israel „gerettet“, aber nicht – im christ-lichen Sinne – „bekehrt“ werden wird! (V. 26) Was ist Paulus hier missverstanden worden, liebe Gemeinde, und was hatte das für Folgen.
Aus paulinischer Sicht nämlich ist der erste Bund Gottes mit Israel unwiderruflich (V. 29) und der Zustand seiner „Verhärtung“ ist nur ein vorübergehender, der nur kurze Zeit bis zur baldigen Wiederkunft des Messias andauert.
Inzwischen sind mehr als 2.000 Jahre vergangen, liebe Gemeinde. In dieser langen Zeit haben die Gedanken des Paulus in ihrer Spannung zum Teil wohl auch das begünstigt, was sie eigentlich verhindern sollten, nämlich eine christliche Abwertung des Judentums und damit paradoxerweise der eigenen Wurzeln des Glaubens.
Der Israelsonntag dient so auch der Thematisierung dieser Unrechtsgeschichte und zugleich dem Aushalten dieser Spannung, die der Paulustext mit sich bringt.
Einen Ausblick allerdings gibt Paulus in Vers 32: Gott wird sich aller erbarmen. Dieser Satz ist zugleich das Ziel und die Pointe des Textes.
Hören wir nun den Predigttext aus Römer 11, 25 – 32, – in einer etwas moderneren sprachlichen Fassung:
(25) Damit ihr nicht überheblich werdet, liebe Brüder, möchte ich euch anvertrauen, was mir Gott offenbart hat. Ein Teil des jüdischen Volkes ist zwar blind für die Botschaft von Jesus Christus. Aber das wird nur so lange dauern, bis alle Heiden, die Gott dafür ausersehen hat, den Weg zu Christus gefunden haben. (26) Danach wird ganz Israel gerettet, so wie es bei den Propheten heißt: “Aus Jerusalem wird der Retter kommen. Er wird Israel von seiner Gottlosigkeit bekehren. (27) Und das ist der Bund, den ich mit ihnen schließe: Ich werde sie von ihren Sünden befreien.” (28) Indem sie das Evangelium ablehnen, sind viele Juden zu Feinden Gottes geworden. Aber gerade dadurch wurde für euch der Weg zu Christus frei. Doch Gott hält seine Zusagen, und weil er ihre Vorväter erwählt hat, bleiben sie sein geliebtes Volk. (29) Denn Gott fordert weder seine Gaben zurück, noch widerruft er seine Zusagen. (30) Früher habt ihr als Heiden Gott nicht gehorcht. Aber weil die Juden Christus ablehnten, hat Gott euch seine Barmherzigkeit erfahren lassen. (31) Jetzt wollen die Juden nicht glauben, dass Gott jedem Menschen in Christus barmherzig ist, obwohl sie es doch an euch sehen. Aber auch sie sollen jetzt Gottes Barmherzigkeit erfahren. (32) Denn Gott hat alle Menschen – Juden wie Heiden – ihrem Unglauben überlassen, weil er allen seine Barmherzigkeit schenken will.
Amen.
Liebe Gemeinde, heute werden wir aufgerufen, uns zu erinnern. Wir werden aufgefordert, nachzudenken über unsere eigene Religion. Wie ist sie entstanden? Woher ist sie gekommen? Wo liegen ihre Wurzeln? Und wem verdankt sie sich? Einmal im Jahr, am sogenannten Israel-sonntag, geschieht das. Da wird unsere Herkunft als Glaubende in den Mittelpunkt gerückt. Und deshalb wird der Scheinwerfer gerichtet auf Israel, auf seinen Bund mit Gott, auf den ersten Bund. Denn von dorther kommen wir ja. Ohne diesen ersten Bund gäbe es auch den zweiten für uns Christen nicht. Ohne das Volk Israel und seine Hoffnung und seine Geschichte mit seinem Gott gäbe es keinen Messias, keinen Jesus Christus, dem unser Glaube sich verdankt. Ohne dieses Erste, ohne diesen Anfang gäbe es keine Christen, keine Kirche, keine Gemeinde, kein Neues Testament, keine Jesusgeschichten, kein Weihnachten, kein Ostern, keine Taufe …
Einmal im Jahr sehen, wie alles angefangen hat –, und verstehen: Wir sind Kinder des Judentums, herausgewachsen aus dem Glauben des Alten Testamentes, der der Glaube des Juden Jesus war.
Warum ist es wichtig, das zu betrachten? Warum soll man sich dessen immer wieder bewusstwerden, liebe Gemeinde?
Weil Christen – schon gleich am Anfang – begonnen haben, herablassend auf ihre Mutterreligion zu blicken. Weil sie – erfüllt von eigener Heilsgewissheit – gemeint haben, die Juden, die sich nicht zu Jesus bekennen, seien auf dem falschen Weg. Ja, sie meinten sogar, Gottes Zusage gälte diesen nicht mehr und Gott habe sich abgewandt von seinem Volk und von seinem Bund. Schon Paulus ist mit diesen Fragen konfrontiert: Sind nicht die Juden jetzt verworfen? Sind sie herausgefallen aus Gottes Erbarmen?
Im Predigttext, den wir eben gehört haben, ringt Paulus mit diesen Fragen. Als geborener Jude versteht er auch nicht, warum seine jüdischen Glaubensgeschwister nicht Christen werden, warum sie nicht an Jesus als den jüdischen Messias glauben können. Darauf hat er auch keine Antwort. Doch für ihn ist dieser Zustand etwas Vorübergehendes, so, als schlösse jemand für einen Moment die Augen und könne nur für diese kurze Zeit nicht sehen. Nur bis Gott auch gehandelt hat an den Heiden-Völkern – nur solange, und dann wird offenbar werden, dass alle gerettet sind, auch Israel, Juden und Christen. Gott lässt niemanden fallen. Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen, schreibt Paulus; Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.
Einmal im Jahr werden wir also aufgerufen, uns daran zu erinnern, das zu betrachten, liebe Gemeinde, und diese Treue Gottes, von der Paulus spricht, in uns aufzunehmen und uns von seiner Barmherzigkeit den Blick auf unsere jüdischen Brüder und Schwestern und das Herz für sie weiten zu lassen. Dieses Erinnern, dieses Nachdenken, dieses Weiten des Blicks ist uns verordnet – wenigstens einmal im Jahr.
Denn wenn es nicht immer wieder geschieht, dann kann sich die Unbarmherzigkeit Bahn brechen, wie schon so oft in der Geschichte des Christentums. Dann kann aus der Enge des Denkens und des Herzens Ungerechtigkeit, ja Böses erwachsen. Dann kann Unmenschlichkeit herrschen und wir merken es nicht mal. Dann kann das Menschen sogar den Tod bringen und das Leben derer, die dabeistehen, für immer zeichnen.
Damit wir das verstehen, damit wir merken, welche unmenschlichen Folgen es haben kann, wenn wir als Christen engherzig meinen, „erwählt“ zu sein und die Juden herablassend für „verworfen“ halten, möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Sie ist wie ein Gleichnis dazu aus unserer jüngsten Vergangenheit:
Sie spielt in Litauen 1941. Die Deutschen hatten damals beschlossen, dass in der kleinen Stadt Eisysky alle jüdischen Menschen sterben sollten. Man wollte sie dort nicht mehr. Man schrieb ihnen alles Schlechte zu, was Menschen hervorbringen können. Man legte allen Hass auf sie, den man empfinden kann. Man machte sie zum Sündenbock, allein deshalb, weil sie Juden waren.
Auf dem alten jüdischen Friedhof der Stadt mussten sie eine Grube ausheben. Als die fertig war, stellte man sie nackt an den Rand dieses großen Grabes und erschoss sie. Zweitausend, dreitausend Menschen.
Unter diesen Juden auf dem alten jüdischen Friedhof von Eisysky befand sich auch einer der Lehrer des Stetl, der Reb Michalowsky, mit seinem jüngsten Sohn Zwi, sechzehn Jahre alt.
Nackt am Rand des offenen Grabes stehend, hielten sie sich bei den Händen und versuchten, sich während ihrer letzten Minuten gegenseitig Trost zu spenden. Der junge Zwi zählte die Kugeln und den Abstand zwischen den einzelnen Salven. Als das Erschießungskommando seine Gewehre anlegte, stürzte Zwi einen Sekundenbruchteil, bevor die Salve ihn traf, ins Grab. Er fühlte die Körper sich über ihm auftürmen und ihn bedecken. Er fühlte Ströme von Blut um sich herum und die sterbenden Körper unter sich.
Es wurde dunkel und kalt. Das Schießen ließ nach. Zwi arbeitete sich unter den Körpern aus dem Massengrab hervor in die kalte, tote Nacht.
In der Ferne konnte Zwi die Leute hören, die singend und saufend ihre große Tat feierten. Am 26. September 1941, nach 800 Jahren, war Eisysky „judenfrei“.
Am anderen Ende des Friedhofs in Richtung große Kirche gab es ein paar christliche Familien. Zwi kannte sie alle. Nackt und blutbesudelt klopfte er an die erste Tür. Sie öffnete sich. Ein Bauer stand da mit einer Lampe in der Hand. „Bitte, lassen Sie mich ein“, flehte Zwi. Der Bauer hielt die Lampe empor und musterte den Jungen eingehend. „Jude, geh zurück ins Grab, wo du hingehörst!“, schleuderte er Zwi ins Gesicht und knallte ihm die Tür vor der Nase zu. Zwi klopfte an andere Türen, die Antwort war die gleiche.
Am Waldrand lebte eine Witwe, die Zwi kannte. Er entschloss sich, an ihre Tür zu klopfen. Die alte Witwe öffnete. In ihrer Hand hielt sie ein brennendes Stück Holz. „Lass mich ein!“, bettelte Zwi. „Jude, geh zurück ins Grab auf dem alten Friedhof!“ Sie drohte Zwi mit dem brennenden Holzscheit, als ob sie einen bösen Geist austreiben wollte. Da sagte er in seiner Verzweiflung zu ihr: „Ich bin euer Herr Jesus Christus, ich bin vom Kreuz herabgestiegen. Seht mich an – das Blut, die Schmerzen, das Leiden der Unschuldigen. Lasst mich ein!“
Da bekreuzigte sich die Witwe und fiel zu seinen blutigen Füßen. „Mein Gott, mein Gott“, stammelte sie, immer wieder sich bekreuzigend. Die Tür wurde geöffnet.
Er versprach, ihre Kinder zu segnen, ihren Hof und sie selbst, doch nur unter der Bedingung, dass sie seinen Besuch drei Tage und drei Nächte lang geheim halten würde und es keiner Menschenseele enthüllte, nicht einmal dem Pfarrer.
Die Witwe gab ihm Kleider, Essen und warmes Wasser, um sich zu waschen. Bevor er das Haus verließ, erinnerte er sie noch einmal daran, dass der Besuch des Herrn ein Geheimnis bleiben muss, und zwar seiner besonderen Mission auf Erden wegen.
In Bauernkleider gehüllt und mit Nahrungsvorräten für mehrere Tage versorgt, gelang es Zwi zu entkommen. Es war hart, aber er überlebte. Später wanderte er nach Israel aus. Er ist gerettet worden, doch sein Leben bleibt gezeichnet. (nach Yaffa Eliac, Träume vom Überleben)
Das ist eine harte Geschichte, liebe Gemeinde. Bitter und abgründig. Wer ist darin auf dem falschen und wer auf dem richtigen Weg? Wer ist erwählt, wer verworfen? Wer ist blind und wer sehend? Wem ist Gott nahe?
Der Gott unseres jüdisch-christlichen Glaubens ist seit jeher bei den Schwachen gewesen, liebe Gemeinde, bei den Leidenden und Entrechteten. Im ersten Bund und dann ganz menschlich-greifbar in Jesus Christus. Wann immer Christen diesen Weg dieses Christus und seines Gottes verlassen haben und sich für solche hielten, die größer, angesehener, erwählter sind als Gottes Volk Israel, und wann immer sie sich für die hielten, die verurteilen, abwerten und strafen dürfen, immer dann ist die Unrechtsgeschichte zwischen Christen und Juden fortgeschrieben worden – und die Liste ist lang.
Die Geschichte von Zwi zeigt uns den leidenden Christus, der bei den Leidenden ist und durch sie zu uns spricht – ganz gleich, welcher Religion sie angehören. Der da ist uns begegnet im Gesicht unseres Nächsten. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst … ist ein alttestamentliches Gebot, ein jüdisches Gebot aus dem dritten Buch Mose (19,18). Wir hörten es zu Beginn unseres Gottesdienstes als Lesungstext.
Dort liegen unsere Wurzeln als Christen und von dorther kommt Jesus zu uns, liebe Gemeinde.
Einmal im Jahr sollen wir uns deshalb daran erinnern, an dieses Verbindende, und daran, was wir dieser anderen Religion verdanken. Wenn wir das tun, dann können wir auch das Unrecht sehen, das schon geschehen ist, und wir können versuchen, es anders zu machen, besser, friedlicher, gerechter.
Zum Beispiel dadurch, dass wir für unsere jüdischen Glaubensgeschwister eintreten, wenn es nötig ist. Oder dadurch, dass wir in unserem Ort herausfinden: Gibt es hier in der Nähe eigentlich eine Synagoge? Darf ich dort einmal als Gast an einem Gottesdienst teilnehmen – und kann mir so das Fremde, das für Jesus das Vertraute war, etwas näherkommen!?
Die Synagoge liegt in unserem Stadtteil, am Paul-Spiegel-Platz.
Vielleicht hilft es auch, dass wir anders denken, liebevoller, toleranter, dankbarer. So wie Paulus damals schon, das menschlich Schwache erkennend, mit einem weiten Horizont schrieb:
Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme. 2x
Amen.
Und der Friede Gottes, der ausgeht von dem Kind in der Krippe und dem Mann am Kreuz, höher denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Glauben und Hoffnung und Liebe.
Amen.
Texte und Fotos (wenn nicht anders angegeben): Hans Albrecht Kontakt: Ev. Tersteegen-Kirchengemeinde, Presbyter Hans Albrecht (Vors. Öffentlichkeitsausschuss), Tersteegenplatz 1, 40474 Düsseldorf,
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